Die Zukunft der Spa-Branche

3595

Über 600 Experten aus der ganzen Welt trafen sich zum Global Wellness Summit im italienische Cesna, um über die Zukunft von Spa & Wellness zu diskutieren, Trends zu identifizieren und die wirtschaftliche Größe der weltweiten Wohlfühlindustrie zu beschreiben. IST-Dozent Wilfried Dreckmann war dabei und berichtet, was die Zukunft der Spa-Branche bringen wird.

Besonders spannend war die Veröffentlichung der aktuellen Wirtschaftsdaten. Es ist ein fester Bestandteil des jährlichen Treffens, dass das Global Wellness Institut auf dem Summit das neueste Zahlenmaterial veröffentlich. Demzufolge wurde im vergangenen Jahr die unglaubliche Summe von 4,2 Trillionen Dollar im weltweiten Wellness-Business umgesetzt. 639 Milliarden im Wellness-Tourismus, 595 Milliarden im Fitness-Segment und über 1.000 Milliarden USD mit Kosmetikprodukten. Jede Menge richtig große Zahlen, mit denen dort jongliert wurde! Man kann sich den Global Wellness Economy-Monitor hier kostenlos herunterladen. Bei den vielen großen Zahlen ist allerdings ein wenig Vorsicht geboten. Das Datenmaterial ist nicht besonders transparent, die Quellen sind in erster Linie eigene Untersuchungen des Global Wellness Institutes, und die Definitionen, was zum Beispiel genau Wellness-Tourismus ist, sind – vorsichtig ausgedrückt – recht umfassend. Demnach haben wir es immer dann mit Wellness-Tourismus zu tun, wenn eine „Reise verbunden ist mit dem Bestreben, das persönliche Wohlbefinden zu erhalten oder zu steigern“. Bei mir persönlich ist so ziemlich jede Reise – auch jede Geschäftsreise – mit diesem Bestreben verbunden. Trotzdem interessant. Denn wenn man sich die Entwicklungen über die vergangenen Jahre hinweg ansieht, wird deutlich, dass das Geschäft mit Wellness immer noch über ganz ordentliche Wachstumsraten verfügt. Manche behaupten ja, Wellness sei tot, oder zumindest auf dem absteigenden Ast. Das Global Wellness Institut behauptet das Gegenteil. Aber nochmal: Man darf diese Zahlenspiele durchaus kritisch betrachten. Auf jeden Fall mit Vorsicht.

Weniger Vorsicht ist geboten bei dem wissenschaftlich fundierten und gleichzeitig hoch spannenden Thema der „blue zones“. Ihr wisst nicht, was „blue zones“ sind? Das sind Gebiete in der Welt, in denen Menschen besonders alt werden. Genauer gesagt, in denen deutlich mehr Menschen leben, die über 100 Jahre alt werden, als in anderen Gegenden. Giovanni Mario Pes, ein italienischer Arzt und Gerontologe untersuchte zu Beginn der 2000er Jahre die Altersstruktur auf der Insel Sardinien. „Aus eigenem Interesse“, wie er selbst sagt. „Mein Onkel wurde 101, mein Großvater wurde 100 Jahre alt. Ich dachte, ich hätte vielleicht gute Gene.“ Er markierte die Orte auf Sardinien, in denen 100-jährige und noch ältere Menschen lebten und zeichnete konzentrische Kreise darum herum. Mit einem blauen Stift. Und so wurden daraus die „blue zones“. Manche Erklärungen sind lustig und ernüchternd zugleich.

Global Wellness Summit
Dan Buettner auf dem Global Wellness Summit.

Dan Buettner, ein National Geographic fellow, hat diese Untersuchungen weltweit weitergeführt und insgesamt fünf „blaue Zonen“ identifiziert. Und er glaubt auch zu wissen, woran es liegt, dass die Menschen in diesen Gegenden länger leben als anderswo auf der Welt. Sein Schnelltest auf der Bühne mit den 600 Delegierten zeigte: die meisten werden lange leben! Ist das ein Wunder? Wer mehr wissen möchte über die „blue zones“, der geht einmal hier entlang für weitere Informationen. Hier gibt es auch einen Happiness-Test, der einem zeigt, was man noch tun kann für ein besseres Leben.

Happiness war überhaupt ein großes Thema beim Summit. Vor allem die Verbindungen zwischen Happiness und Wellness. Ich finde, man muss nicht lange darüber nachdenken, um zu erkennen, dass sich Glücklichsein und Wohlbefinden gegenseitig bedingen, oder? Eine Frage, die man aber durchaus stellen darf, ist: was kann die Wellness-Gemeinde dafür tun, dass Menschen glücklicher werden? Ist „mental wellness“ das neue Schlagwort? Manche behaupten, dies sei DER Trend im Wellness-Business überhaupt. Wie ist Eure Meinung dazu? Was würdet Ihr unter „mental wellness“ verstehen? Schreibt Eure Meinung als Kommentar unter diesen Blogbeitrag.

Auch die WHO (World Health Organisation) hat WELLNESS für sich als Thema erkannt. Dr. Ranieri Guerra zeigte, dass die WHO nicht nur nette Definitionen erfindet, sondern durchaus verstanden hat, dass Wellness ein Weg zu mehr Gesundheit für die Weltbevölkerung ist, und damit einen Beitrag zur Verringerung von Krankheiten leistet. Wie das genau geht? Okay, da blieb Dr. Guerra eher unspezifisch. Aber sein Vortrag befeuert eine der Initiativen des Global Wellness Institutes: nämlich die Wellness Moonshot-Kampagne. Es klingt ein bisschen übertrieben, zugegeben. Dahinter steckt die Idee, dass man die Welt von vermeidbaren Krankheiten befreien könne.  Eine Idee, die typisch amerikanisch klingt. Mal eben kurz die Welt retten. Mit Wellness! Aber mal ehrlich: wenn alle Menschen mehr Bewegung hätten, sich gesünder ernähren würden, regelmäßig meditieren würden und überhaupt, einen Wellness-Lifestyle praktizieren würden – könnte man so nicht vielleicht tatsächlich etwas gegen die Folgen von Übergewicht, die Zunahme an Depressionen, Gelenkserkrankungen, Rückenschmerzen usw. unternehmen? Und zwar erfolgreich? Die Wellness Moonshot-Kampagne ist nicht kurzfristig angelegt. Die Welt zu retten scheint auch für Amerikaner ein langfristiges Unterfangen zu sein. Und es gilt nach wie vor der Satz: „shoot for the moon! Even if you miss, you’ll land among the stars”.

Der zweite Tag des Summits begann mit dem „Shark Tank of Wellness”. „The Shark Tank“ ist das amerikanische Original der Sendung „Die Höhle der Löwen“. In unserem Fall hatten Studierende von internationalen Unis die Möglichkeit, ihre Ideen oder Erfindungen einer Jury von Wellness-Experten vorzustellen und eine Finanzspritze zu bekommen. 10.000 US Dollar standen zur Verfügung und wurden unter den letzten drei Finalisten verteilt. Die Hälfte, also immerhin 5.000 Dollarnoten gingen dieses Jahr an Maria Mu von der Cornell University für ihre Idee, ein Wellness Mobile zu bauen, das bei Einschlafstörungen helfen soll. Wusstest Du, dass über 35% der Deutschen unter Schlafstörungen leiden? Maria Mus Idee scheint den Nerv der Zeit getroffen zu haben.

Ebenfalls einen Nerv der Zeit trifft die international tätige Unternehmensberatungsfirma KPMG, die sich auf die Suche nach dem perfekten Healthcare System macht. Mark Britnell von KPMG international UK zeigte die Ergebnisse. Etwas verwunderlich: er hält das NHS, das britische Gesundheitssystem, für das Beste der Welt. Und das, obwohl sich alle im Vereinigten Königreich darüber beklagen, dass es nicht so richtig gut funktioniere. Immerhin konnte Mark ganz gut erklären, dass alle Gesundheitssysteme sehr fragil sind. Dass außerdem kein System lang überleben kann, wenn es nicht seine Mitglieder und Versicherten dazu animiere, eigeninitiativ an ihrer Gesunderhaltung zu arbeiten. Eine Erkenntnis, die in deutschen Krankenkassen schon lange vorhanden ist. Oder klingt hier etwa sowas wie eine Wellnessorientierung der Krankenkassen heraus?

Das Summit-Programmheft hat mehr als 50 Seiten. Ihr könnte Euch also vorstellen, dass hier in unterschiedlichen Räumen und auf mehreren Ebenen jede Menge los war. Alle Sessions konnte ich natürlich nicht besuchen, weil oft mehrere gleichzeitig liefen. Beim Mittagessen gab es jeweils sogenannte „hosted lunch tables“, sodass man selbst beim Essen spannende Leute kennenlernen und mit ihnen diskutieren konnte. Ich habe zum Beispiel Bob Roth kennengelernt. Der Mann ist der Meditationslehrer von Tom Hanks und Giselle Bündchen, Gwynneth Paltrow und Oprah Winfrey und vielen anderen. Überaus spannend, was der Mann über transzendentale Meditation erzählen kann.

Apropos Oprah Winfrey. Die amerikanische Stil- und Moderations-Ikone wurde live per Videokonferenz zu einer Session zugeschaltet, die mich – gelinde gesagt – fast vom Hocker gehauen hat. Auf der Bühne saß Mia Kyricos, die seit kurzem Vice President Wellness der Hyatt Hotels ist und die ein Interview mit Mindy Grossman, President & CEO von Weight Watchers führte. Weight Watchers ist Euch allen bestimmt bekannt. An dem Namen kommt man nicht vorbei, wenn man sich übers Abnehmen Gedanken macht.

Weight Watchers hat über 1,6 Millionen Kundenkontakte. Pro Woche. Also ein durchaus ernstzunehmender Player auf der internationalen Bühne. Diese börsennotierte Firma gibt es seit 1963 und ist in über 30 Ländern weltweit vertreten. In diesem Interview verkündete Mindy Grossman, dass Weight Watchers sich neu positionieren werde und zukünftig „Wellness that Works“ heißen werde. BÄM!  Das Logo „WW“ bleibt also, die Inhalte werden sich aber verändern. Meine spontane Reaktion war sowas wie „noch mehr ‚well-washing‘?!“ Aber je länger ich Mindy zuhörte, desto deutlicher wurde, wie ernst sie das meint, und wieviel Hirnschmalz Weight Watchers in diese Umbenennung gesteckt hat. Und, je länger ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir auch, welche Chancen für die Wellness-Industrie darin stecken, einen solch potenten Partner an der Seite zu haben. Denn WW wird zukünftig seinen Kunden noch mehr bieten als nur ein Abnehmprogramm. Sie wollen zu mehr Wellness-Lifestyle anregen – zu mehr Bewegung, Meditation, gesunder Ernährung. Schauen wir mal, was dabei rauskommt. Und vorher könnt ihr ja mal auf der WW Seite vorbeischauen und selbst lesen, was die deutschen WW so dazu schreiben.

Ach so, dass Oprah Winfrey mit dazugeschaltet wurde, könnte einen einfachen Grund haben: sie hält 10% der Aktien von WW… (Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.)

Überhaupt könnte man fast sagen: „healthy food is the new wellness“. David Bosshart vom Gottlieb Duttweiler Institut gab einen zum Teil recht witzigen Überblick über aktuelle F & B – Trends und erläuterte, welchen Einfluss sie auf den Wellness-Lifestyle haben.  Wein mit Cannabis-Wirkstoffen, zum Beispiel. 100% hangover free.

Spannend war auch noch eine Diskussion mit Tony de Leede, dem Gründer von Fitness First in Australien. Hier saßen ein paar Fitness-Experten in der Runde, die mit Tony zusammen darüber diskutierten, wie Fitness und Wellness eigentlich zusammenpassen. Es wundert kaum, dass dabei herauskam, dass Wellness zukünftig ein integrativer Bestandteil von Fitnessanlagen sein werde. Klar, eine andere Meinung kann beim Global Wellness Summit schließlich nicht vertreten werden, werdet ihr denken. Aber die Damen und Herren Fitness-Experten konnten das anhand ihrer eigenen Anlagen und der Umsatzentwicklungen der letzten Jahre auch tatsächlich deutlich belegen. Ich habe nicht schlecht gestaunt, als ich hörte, wie tief die internationale Fitnesswelt sich in das Thema Wellness schon reingedacht hat. Da haben wir in Deutschland noch ein bisschen Denkarbeit vor uns.

Was gab’s sonst noch? Jede Menge Preise wurden verliehen, Leute geehrt, Initiativen vorgestellt und der Ort für den nächsten Global Wellness Summit bekannt gegeben. Nächstes Jahr geht’s für die Wellness-Welt nach Hong Kong.

Wilfried Dreckmann kennt das Wellness-Business von der Pike auf. Der studierte Sozialpädagoge ist seit den Neunzigerjahren im Wellness-Sektor tätig und war von Kosmetik über Massage bis hin zur Position des Spa Managers und Spa Direktors in verschiedenen Hotels in Deutschland, im europäischen Ausland und in Südamerika angestellt. 2006 machte er sich mit seiner Unternehmensberatung „spa project“ selbstständig. Er berät Wellnessdienstleister in ganz Europa in allen Fragen rund um das Thema Spa Management. Seit 2007 ist Wilfried Dreckmann Dozent am IST-Studieninstitut und seit 2014 Lehrbeauftragter an der IST-Hochschule für Management, verantwortlich für die Entwicklung der Module „Konzeption von Wellnessanlagen“ und „Management von Wellnessanlagen“. Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt dabei in den Bereichen Wissensvermittlung für Spa Manager, Personalführung und Konzeption von Wellnessbereichen.

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT

Please enter your comment!
Please enter your name here