Zwischen Studium und Bühne – Bodybuilder und Vollzeitstudent

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Zwei Ziele, ein Weg

Noch während ich an meiner Bachelorarbeit saß – Laptop auf dem Tisch, Notizen überall verstreut –, lief im Hintergrund mein Timer: 120 Minuten bis zur nächsten Mahlzeit, 3 Stunden bis zur nächsten Trainingseinheit, 5 Wochen bis zum ersten Wettkampf. Es ist nicht nur mein letzter Studienabschnitt, sondern auch meine bereits zweite Wettkampfvorbereitung im Bodybuilding. Zwei ambitionierte Ziele, beide fordernd, beide zeitgleich. Für mich war es der konsequente Schritt, meine körperliche und geistige Leistungsfähigkeit in Einklang zu bringen und meine Ziele, im akademischen sowie sportlichen Bereich, zu erreichen.

Die Wettkampfdiät begann am 8. Dezember 2024 – ein Datum, welches mittlerweile schon über 20 Wochen in der Vergangenheit liegt. Seitdem befinde ich mich in einem Zustand der physischen Disziplin, der Selbstbeobachtung und des kontinuierlichen Kaloriendefizits. Trotz dieser Belastung gelang es mir, die Bachelorarbeit planmäßig zum Abgabetermin im März fertigzustellen. Parallel konnte ich wenige Wochen danach am die Berliner Meisterschaft des Deutschen Bodybuilding- und Fitnessverbands (DBFV) in der Klasse der Classic Physique gewinnen. Doch abgeschlossen ist dieser Weg für mich noch nicht: Der Fokus liegt nun auf der Deutschen Meisterschaft am 24.05.2025 in Wiesloch – mein Ziel ist klar: Deutscher Meister werden.

Alltag im Kaloriendefizit: Inmitten von Studienwahn und Fitnessstudio

Mit Beginn der Wettkampfdiät wurde mein Tagesablauf zur minutiös geplanten Choreografie. Morgens stand nüchternes Cardiotraining auf dem Plan – absolviert auf dem Ergometer im Schlafzimmer –, mit dem Ziel, den Körperfettanteil kontinuierlich zu senken. Dazu kam das tägliche Posingtraining: Vor dem Spiegel wurden Pflichtposen wiederholt, die Bühnenpräsenz eingeübt und die aufgenommenen Bilder der Form zur Begutachtung an den Coach weitergeleitet. Für Außenstehende mag das wie reine Ästhetik erscheinen, doch das gezielte Ansteuern und kontrollierte Anspannen einzelner Muskelgruppen ist körperlich anspruchsvoll und entscheidend für den Erfolg auf der Bühne.

Der Tag ist getaktet – jede Stunde, jede Mahlzeit, jede Aktivität. Zwischen wissenschaftlichem Arbeiten am Schreibtisch, dem Alltag und der nächsten Trainingseinheit werden die Mahlzeiten exakt nach Makronährstoffverteilung vorbereitet. Abweichungen von der Ernährung sind nicht vorgesehen – weder in Menge noch in Auswahl. Während meine Kommiliton:innen oder Kolleg:innen sich nach den Seminaren und Fortbildungen der IST oder in den Mittagspausen oftmals in der Stadt zum Essen verabredeten oder spontane Freizeit genossen, bedeutete mein Alltag: Vorkochen, Portionieren, Essen abwiegen. 

Diese körperliche Disziplin ist jedoch nur ein Teil der Vorbereitung. Eine Wettkampfdiät fordert auch mental: Energielevel sinken, Konzentrationsfähigkeit nimmt ab, die soziale Isolation steigt. Durch das konstante Kaloriendefizit fehlen dem Körper über Wochen hinweg vermehrt die nötigen Ressourcen für Regeneration und geistige Leistungsfähigkeit – das wirkt sich spürbar auf jede Handlung und jeden Gedanken aus. Gleichzeitig steigt der Druck, jede Entscheidung – sei es im Training, bei der Ernährung oder im Alltag – dem großen Ziel unterzuordnen: am Wettkampftag in Bestform auf der Bühne zu stehen, bei einem Körperfettanteil im einstelligen Prozentbereich mit maximaler Muskeldefinition und unter kontrollierter Präsentation.

Die Bachelorarbeit entstand größtenteils an meinem Küchentisch – ausgestattet mit einem Laptop, einer Flasche Wasser und den üblichen, vorgekochten Mahlzeiten. Die täglichen Arbeitseinheiten folgten einem festen Rhythmus, der sich gut in meinen strukturierten Alltag integrieren ließ. Jeder geschriebene Absatz verlangte dieselbe Konzentration, die auch im Training notwendig ist – insbesondere während der Wettkampfvorbereitung, in der es entscheidend ist, die Kraft und Leistungsfähigkeit möglichst lange aufrechtzuerhalten, um Muskelverluste zu vermeiden. Die mentale und körperliche Belastung war deutlich spürbar. Über Wochen hinweg waren Phasen von Erschöpfung, Konzentrationsschwächen und gelegentlich auch emotionaler Gereiztheit ständige Begleiter.

Disziplin, nicht Motivation – im Sport wie im Schreiben

Die entscheidenden Fortschritte habe ich nicht an den Tagen gemacht, an denen alles leichtfiel, sondern an denen, an denen der Körper müde war und der Kopf leer. Das gilt für das Training in der Wettkampfvorbereitung genauso wie für das Schreiben meiner Bachelorarbeit. Gerade in der Endphase, wenn das Kaloriendefizit hoch, der Schlaf leicht und die Regeneration begrenzt ist, verschwimmen die Grenzen zwischen körperlicher Belastung und mentaler Erschöpfung. In dieser Phase war es nicht Motivation, die mich vorangebracht hat – es war Disziplin: strukturierte Abläufe, feste Zeitfenster zum Schreiben, klare Prioritäten und der bewusste Verzicht auf alles, was Energie raubt, aber keinen Fortschritt bringt.

Rückblickend war das Schreiben der Bachelorarbeit unter diesen Bedingungen mehr als eine wissenschaftliche Aufgabe. Es war eine mentale Herausforderung, die mir abverlangte, trotz ständigem Hungergefühl, Konzentrationsschwächen und fehlender Impulse analytisch zu denken und sauber zu formulieren. Dass ich diese Phase durchziehen konnte, verdanke ich der jahrelangen Erfahrung im Bodybuilding – einem Sport, in dem ich lernen konnte, Leistung nicht an Befinden zu knüpfen, sondern an Verlässlichkeit im Handeln.

Konflikte und Erkenntnisse

Das parallele Verfolgen vom erfolgreichen Schreiben einer Abschlussarbeit sowie das Definieren das Ausüben eines Extremsports bringt unvermeidbare Zielkonflikte mit sich. Während mein Körper sich zunehmend im Erhaltungsmodus befand, verlangte das wissenschaftliche Arbeiten höchste geistige Flexibilität. Ich lernte, effizient mit meiner Energie zu haushalten, Prioritäten dynamisch anzupassen und Perfektionismus an den richtigen Stellen loszulassen.

Der Prozess war nicht frei von Zweifeln. Es gab Momente, in denen ich das Projekt Bachelorarbeit infrage stellte und emotional verdrängte – und andere, in denen ich mich fragte, ob mein Körper für die Bühne und dem Tag X die Bestform erreicht. Dennoch war und ist gerade dieses Spannungsfeld außerhalb meiner eigenen Komfortzone der Ort meines persönlichen Wachstums.

Fazit: Zwischen Titelblatt und Bühnenbräune

Zwei Abschlüsse stehen kurz bevor: der akademische mit der Bewertung meiner Bachelorarbeit und der sportliche mit dem anvisierten nationalen Meistertitel. Doch unabhängig von den Resultaten steht für mich fest: Die Kombination aus Studium und Bodybuilding hat mir nicht nur viel Wissen und Muskelmasse gebracht, sondern vor allem eine gefestigte Haltung gegenüber Herausforderungen, Eigenverantwortung und mentaler Belastbarkeit. Das gleichzeitige Meistern zweier anspruchsvoller Wege hat mir gezeigt, dass Erfolg nicht im Einzelnen liegt, sondern im konsequenten Zusammenspiel. Nun liegt der Fokus auf der Deutschen Meisterschaft und dem nächsten Wettkampf!

Tom ist der diesjährige Klassensieger in der Kategorie Classic Physique bei der Berliner Meisterschaft 2025 des Deutschen Bodybuilding- und Fitness-Verbands (DBFV). Er befindet sich derzeit in der Abschlussphase seines Bachelorstudiums „Fitnesswissenschaft und Fitnessökonomie“ an der IST-Hochschule für Management, das er zunächst im dualen und mittlerweile im Vollzeitstudium absolviert. Neben dem Studium hat er in der Immobilienwirtschaft berufliche Erfahrung gesammelt und parallel dazu eine Ausbildung zum IHK-zertifizierten Immobilienverwalter erfolgreich abgeschlossen. Als ambitionierter Wettkampfathlet verbindet Tom wissenschaftlich fundiertes Wissen mit praktischer Erfahrung im leistungsorientierten Bodybuilding.

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