Wie das Hören die Wahrnehmung bei Events prägt

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„Guter Ton, der sollte eigentlich gar nicht auffallen“, meint WDR-Programmdirektor Jochen Rausch, Gründer von 1Live. Mit ihm sprach Event-Regisseur Chris Cuhls in seiner fünften Staffel des Podcast „What´s Next – Events im Wandel“ zur ästhetischen Gestaltung von Erlebnissen. In diesem Podcast geht es speziell um den Bereich Akustik: Wie funktioniert das Sinnesorgan Ohr und wie können die Kenntnisse darüber effektiv bei der Event-Gestaltung und für besondere Hörerlebnisse angewendet werden?

Copyright: Gerd Altmann – Pixabay.com

What’s Next? Der Podcast von Chris Cuhls rund um Events im Wandel

Was muss? Was kann? Was macht WOW?, um mit Events nachhaltig Emotionen zu wecken, Menschen mitzureißen und eine hohe Wirkung zu erzeugen. Gerade die Pandemie hat vieles disruptiert. But the show must go on.

What´s next? Wie sehen die Events der Zukunft aus und welche Innovationen haben sich in der Corona-Krise entwickelt? Antworten hierzu finden sich in Podcast-Gesprächen mit renommierten Expert:innen aus der Eventbranche und darüber hinaus. Gemeinsam wird die Gestaltung und der Prozess von bisher analogen Veranstaltungen hin zu hybrid, digital, virtuell, AR, VR, XR… analysiert.

In den ersten vier Staffeln geht es um digitale Formate, hybride Eventkonzepte und die Reflexion von Events: Was sind die tieferliegenden Prinzipien guter Kommunikation für mehr Resonanz? Alle Gespräche sind über Spotify oder iTunes abrufbar.

Die Bandbreite des Hörens

Bei der auditiven Wahrnehmung muss zwischen Nutz- und Störschall unterschieden werden, kommentiert Steffen Ronft in seinem Buch Eventpsychologie (2021, S.151). Die Verarbeitungsprozesse sind sehr selektiv und es wird nur ein Bruchteil des tatsächlich registrierten Schalls weiterverarbeitet und so bewusst wahrgenommen. Hintergrundgeräusche ohne erkennbare Relevanz werden herausgefiltert. Im Vergleich zu anderen Wahrnehmungen wie der olfaktorischen kann der Mensch die selektive Aufmerksamkeit bewusst und aktiv steuern. Sie erklärt im Übrigen auch den sogenannten „Cocktailparty-Effekt“: Dieser besagt, dass wir bei einer Unterhaltung, die in der Nähe stattfindet, auf den eigenen Namen und Schlagworte selektiv aufmerksam werden.

Die Charakteristik von gutem Ton

„Guter Sound fällt nicht auf“, unterstreicht auch Torsten Jacobs, Geschäftsführer bei Neumann & Müller Veranstaltungstechnik. „Wenn das Verhältnis von Musik und Sprache ausgewogen ist, die Akustik stimmt und keine Störgeräusche vorhanden sind, wirkt der Ton, wie er soll.“

Menschen haben feine Antennen, um akustisch wahrzunehmen und Audio-Reize zu interpretieren. Ein Hör-Erlebnis ist laut Rausch dann authentisch, wenn die entsprechenden Erwartungen und Bedürfnisse erfüllt wurden. Bei der Produktion von akustischen Elementen wie z.B. Songs, Film-Ton oder Radio-Beiträgen spielt das Medium (große Bandbreite eines Klassikkonzerts auf Vinyl oder komprimiert für Radio), die Raumakustik des Rezipienten (Kopfhörer oder PA), vor allem aber das intendierte Ziel eine Rolle: Wird das Medium aktiv und bewusst konsumiert oder ist es ein Nebenbei-Medium? Denn das bestimmt die ästhetische Gestaltung des Hör-Erlebnisses.

„Die großen Studios checken jeden Song, ob er auf einem iPhone oder auf einer Bluetooth Box klingt. Weil, wenn es da nicht klingt, sondern nur auf riesigen Anlagen für 30.000 €, hat irgendwer einen Fehler gemacht.“

Jochen Rausch

Ein Audio-Umfeld, das sich stark mit Zielgruppen und Wirkung befasst, ist die Radio-Branche. Interessant: Als ehemaliger Programmdirektor der größten Jugendwelle Europas bestätigt Rausch, dass die allgemeine Auffassung – „Radiosender spielen alle die gleichen Songs“ – stimmt. Selbst wenn Zuhörer:innen sich wünschen, neue Lieder zu hören, zeigen Forschungen, dass wir umschalten, wenn weniger gewohnte Inhalte gespielt werden. Die Erfolgsformel von 1Live stammt übrigens von Fritz Pleitgen, Intendant des WDR (1995 bis 2007), Vorsitzender der ARD (2001 bis 2002) sowie Präsident der Europäischen Rundfunkunion (2006 bis 2008): „Wir schleimen und Wanzen uns nicht ran.“ Diese Haltung spiegelt sich vor allem in der Moderation wider.

Themen der Gespräche

03:38 Was ist beim Hörerlebnis
ästhetisch?
11:10 Was macht das Hören besonders?
15:26 Wirkung von gutem Ton
22:08 Das Nebenbei-Medium Radio
32:16 Über den Charakter von Sound
35:13 Zielgruppenbedürfnisse akustisch
aufnehmen
44:07 Emotionen triggern:
Die Wahrnehmung von Musik
51:39 Stille
54:02 Erlebnisse kreieren, Haltung haben
01:01:38 Im Taxi
01:04:00Event-Dramaturgie á la
Jochen Rausch
01:10:15 Was muss, kann und macht wow?

Die Gestaltung von (Hör-)Erlebnissen

Mann sitzt im Tonstudio
Copyright: John Hult

Mir als Event-Regisseur sind bei der audio-visuellen Inszenierung zwei Dinge wichtig: der Inhalt und die Verpackung. Die Bereitschaft von Menschen, sich Unspektakuläres anzusehen, weil sie der Inhalt interessiert, ist überraschenderweise hoch. Das kann geschickt genutzt werden. Die Kunst ist die Inhalte angemessen, ästhetisch und wirkungsvoll zu verpacken. Ein Rammstein-Konzert ohne Bühnenshow und Pyrotechnik ist trotz des Hör-Erlebnisses enttäuschend. Die Live-Aufzeichnung eines Podcast braucht im Gegensatz dazu kaum visuelle Inszenierung. Es sind nicht immer große Bühnenshows notwendig, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu erreichen. Oft überzeugt die Reduktion auf einen wesentlichen Kern.

Bei Albumproduktionen hat Jochen Rausch oft mit dem Ton-Experten Conny Plank zusammengearbeitet, dessen Ansatz es war, nicht die vorhandene Technik einzusetzen, sondern aufzunehmen, wie es klingen sollte. Erst im zweiten Schritt entstanden ästhetische Song-Mixe, die noch heute Emotionen wecken und Menschen mitreißen.

„Dann hat Conny gesagt: ‚Pass mal auf, wir überlegen uns, wie das klingen soll. Und dann fummelte ich so lange an den Maschinen herum, bis das so klingt, wie wir das haben wollen, wie wir uns das ausgedacht haben und nicht umgekehrt.“

Jochen Rausch

Fazit: Guter Sound triggert Emotionen und schafft unvergessliche Erlebnisse

Unser Ohr ist wie eine lebenserhaltende Alarmanalage. Wir nehmen Töne und Geräusche unmittelbar auf. Das sorgt für Orientierung – noch bevor wir hinschauen. Da das Hören unsere Wahrnehmung entscheidend mitprägt, gilt es bei Events und anderen Hörerlebnissen für guten Sound zu sorgen. Dieser triggert unsere Emotionen und verbindet Gefühle mit Erlebnissen. Jeder, der bei einem Coldplay Konzert war, weiß wie es sich anfühlt, im Kollektiv „Fix You“ zu singen. Diese Momente gehen weder wieder aus dem Ohr, noch aus dem Herzen.

Hier geht´s zum Podcast mit Jochen Rausch:

Dieser Beitrag ist ein Recap des Vortrages von Event-Regisseur und Konzepter Chris Cuhls auf dem FORUM EVENT 2022. Der beliebte Weiterbildungskongress für Nachwuchskräfte und Young Professionals der Eventbranche wird initiiert von der IST-Hochschule für Management und findet einmal jährlich statt. Weitere Informationen zur Veranstaltung gibt es auf unserer Webseite sowie auf Facebook und Instagram.

Apropos Podcast: Wie professionelles Podcasting funktioniert erfahren Interessierte in der neuen Weiterbildung „Podcast – Konzeption und Produktion“ des IST-Studieninstituts.

Chris Cuhls ist Regisseur und Konzepter von Corporate wie Public Events. Mit über 20 Jahren Erfahrung in der TV- und Eventbranche treiben ihn Neugier, Kreativität und relevante Ideen an, um Begegnungen wirkungsvoll zu inszenieren. Zum Thema Eventgestaltung veröffentlicht er verschiedene Fachbücher und betreibt den www.ablaufregisseur.de/BLOG.

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