Betriebliches Gesundheitsmanagement in Zeiten von Corona und Homeoffice

3528

Bis Ende des Jahres 2019 schien alles noch in Ordnung. Die Jahresabschlusszahlen wurden bereits vorbereitet und der Ausblick für das erste Quartal 2020 hinterließ einen gewissen Hauch von Optimismus. Nun, etwa drei Monate später, ist die Zukunft einiger Unternehmen von ganz anderen Szenarien geprägt. Kurzarbeit, nicht verlängerte Verträge, erhebliche Umsatzeinbußen, abgesagte Aufträge und Zwangsschließungen dominieren den beruflichen Alltag. Dazu kommt die Herausforderung für zahlreiche Unternehmen, sich unter den derzeitigen gesetzlichen Schutzauflagen umzustrukturieren. Mitarbeiter werden ins Homeoffice geschickt und ganze Prozessabläufe digitalisiert. Warum gerade jetzt ein betriebliches Gesundheitsmanagement hilfreich ist und in welcher Form es zum Einsatz kommen kann, wird im folgenden Beitrag näher erläutert.

Gesundheit in Krisenzeiten

Betriebliches Gesundheitsmanagement nimmt als Querschnittsdisziplin verschiedene Aufgaben wahr. Zentrale Bestandteile sind die Verbesserung, der Erhalt und die Wiederherstellung der Gesundheit der Mitarbeiter. Dabei wird Gesundheit im Kontext der Arbeit von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst. Krisenzeiten wie die derzeitige sind vor allem auch eine Belastung für die psychische Gesundheit. Veränderungen in der Arbeitswelt sind mit vielfältigen Sorgen verbunden. Ungewissheit bezüglich der Auswirkungen des Wandels, Arbeitsplatzunsicherheit und auch Sorgen um die eigene Gesundheit erzeugen häufig Angst. Veränderungen, die einen möglichen Arbeitsplatzverlust zur Folge haben, korrelieren stark mit einer schlechteren psychischen Gesundheit und können in Depressionen und Burn-Out münden (Martin et al., 2009). Ebenso können sich Ängste negativ auf die Leistungsfähigkeit und Kreativität auswirken (Berger, 2019).

Die Covid-19-Situation, die Umstellung der Unternehmen, die Zwangsschließungen und die Verlagerung auf Kurzarbeit können somit Mitarbeiter und damit ganze Unternehmen beeinträchtigen. Badura et al. (2019) weisen darüber hinaus auf die Sinnhaftigkeit und die Organisationskultur hin, die mehr oder weniger den Motor der Arbeit darstellen. All die genannten Einflussfaktoren interagieren dynamisch wechselseitig und können sich in ihrem Effekt multiplizieren. Ein gut aufgestelltes betriebliches Gesundheitsmanagement kann mit wenigen, günstigen Maßnahmen viel erreichen. Im Folgenden werden einige Hilfestellung angeboten, die oftmals bekannt sind, jedoch ebenso häufig in Vergessenheit geraten.

Worauf Unternehmer und Führungskräfte achten sollten

Als Geschäftsführer oder Führungskraft ist die Einstellung zur Situation und gegenüber den Mitarbeitern von größter Bedeutung. Akzeptieren Sie die Situation und erarbeiten Sie konkrete Lösungen. Sie treffen Entscheidungen auf der Basis von Informationen, die Sie heute haben. Die Neubewertung einer getroffenen Entscheidung auf Basis neuer Informationen ist daher legitim. Führungskräfte dürfen daher auch mal ratlos sein, nur sollten sie lösungsorientiert vorangehen. Seien Sie in diesem Zusammenhang vorsichtig mit Spekulationen und sprechen Sie vor allem nicht permanent über die Krise, sondern vielmehr über die derzeitige Lage oder Situation.

Tabelle: Was Führungskräfte in der Corona-Krise machen können
Unternehmer und Führungskräfte können viel beitragen, um gut durch die Corona-Krise zu kommen.

Die Aspekte Kommunikation und Vertrauen sind annähernd gleichwertig zu betrachten. In vielen Szenarien setzt Vertrauen – wenn es entlang der gelebten Kultur nicht bereits vorhanden ist – eine transparente Kommunikation voraus. In der derzeitigen Lage können Sie nur punkten, wenn sie eine ehrliche Bewertung der wirtschaftlichen und personellen Situation vornehmen, Handlungsschritte ableiten und diese an die Mitarbeiter kommunizieren. Entscheidungen müssen nicht im Detail offengelegt werden, jedoch hilft es oftmals, das Entscheidungskriterium zu benennen, damit es für den Empfänger nachvollziehbar ist. Mitarbeiter sind dann eher geneigt, Lösungen mit zu erarbeiten und am Entscheidungsprozess teilzunehmen. In der derzeitigen Situation bietet sich vor allem der Jour fixe im E-Mail-Format an. Machen sie keine Versprechungen, außer, dass Sie hart an Lösungen arbeiten.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der auf einer transparenten Kommunikation aufbaut, ist Vertrauen. Vertrauen Sie ihren Mitarbeitern – vor allem im Homeoffice. Mikromanagement verbraucht zu viele Ressourcen und treibt Sie nur in den Wahnsinn. Vereinbaren Sie Rahmenbedingungen für die Arbeit. Mitarbeiter sind nun vermehrt über das Telefon und per E-Mail erreichbar und können daher nicht mit jedem gleichzeitig kommunizieren. Übrigens: Im Homeoffice muss kein Mitarbeiter 16 Stunden erreichbar sein. Klare Aufgabenpakete (Was soll bis wann von wem erledigt sein?) helfen beiden Seiten. Sollten unerwartete Schwierigkeiten auftauchen, bieten Sie Unterstützung an. Vertrauen steht in direktem Zusammenhang mit Erwartungshaltungen. Äußern Sie ihre Erwartungshaltung klar und fordern Sie auch die Ihrer Mitarbeiter ein. Damit weiß jeder, woran er ist.

Last but not least: Nicht jeder kann sich von heute auf morgen auf ein neues Arbeitssetting einstellen. Nicht jeder Mitarbeiter hat ein abgetrenntes Arbeitszimmer und muss unter Umständen mit der Familie im Wohnzimmer zusammensitzen. Nicht jeder kann mit Online-Meeting-Software umgehen. Zeigen Sie Verständnis und helfen Sie, Regeln aufzustellen. Das beginnt bei der Kamera- und Mikrofonnutzung des Laptops und geht bis hin zum rechtzeitigen Erscheinen und einer eventuellen Technikprüfung ein paar Minuten im Vorfeld eines Meetings. Insbesondere ältere oder digital unerfahrene Mitarbeiter benötigen hier Zeit und Unterstützung. Halten Sie die Meetings kurz und bauen sie aktivierende Elemente (Fragen, Chat-Room etc.) ein. Ebenso sollten nicht alle gleichzeitig sprechen – auch Übertragungsverzögerungen können vorkommen. Derzeit gibt es gute Webmeeting-Plattformen kostenfrei. Probieren Sie diese im Vorfeld aus, vor allem bei Kundenkontakt.

Was Sie als Mitarbeiter beitragen können

Machen Sie Ihren Kollegen Mut. Transparenz, offene Kommunikation, gegenseitiges Verständnis und Teamgeist tragen insbesondere jetzt dazu bei, die Krise gemeinsam zu meistern. Haben Sie Nachsicht, wenn die Führungsetage mal emotionaler reagiert, als Sie es vielleicht gewohnt sind oder Entscheidungen kurzfristiger getroffen werden. Die aktuelle Situation erfordert von Ihrer Unternehmensführung bedachtes Handeln sowie das Treffen von Entscheidungen unter großer Unsicherheit und gesetzlichen Auflagen. Und das gegebenenfalls noch vor dem Hintergrund eigener privater Sorgen.

Unterstützen Sie Ihr Team, in dem Sie die Veränderung als Chance nutzen, zu wachsen, gemeinsam zu lernen und neue Dinge auszuprobieren. Dies kann mit folgenden Schritten erfolgreich gelingen:

Überprüfen Sie Ihre Erwartungen

Wir alle haben Wünsche, Vermutungen und Hoffnungen. Überprüfen Sie, welche Erwartungen zurzeit realistisch sind – und passen Sie sie entsprechend an. Zu katastrophisieren hilft ebenso wenig wie Schönmalerei. Was ist unter den gegebenen Umständen machbar, ratsam, und was sollten Sie lieber verschieben? Informieren Sie sich gezielt über die neuesten Entwicklungen, schalten Sie dann bewusst ab und beschäftigen sich mit anderen Dingen – vor allem am Abend.

Energie tanken

Lenken Sie Ihren Fokus bewusst auf die Dinge, die Ihnen Kraft geben, wie spazieren gehen, ein Buch lesen oder kochen. Ausreichend geistige und körperliche Erholung bringt Energie, die notwendigen Veränderungen bewusst und aktiv einzuleiten.

Wählen Sie Ihre Strategie

Deuten Sie Herausforderungen um und sehen Sie die positiven Aspekte. Vielleicht spart Ihnen die Arbeit im Homeoffice die lange Pendelzeit, Sie kommen endlich zu einer bisher aufgeschobenen Aufgabe, können sich in neue Themen einarbeiten oder nutzen die Zeit in den eigenen vier Wänden für einen befreienden Frühjahrsputz.

Wie können Sie die Situation aktiv positiv verändern? Nutzen Sie Ihre Kreativität und Experimentierfreude, um gezielte Vorschläge zu machen. Welche Arbeitsabläufe können umgestaltet, digitalisiert oder gar gestrichen werden? Welche Chancen bieten sich für Sie persönlich, Ihr Unternehmen und Ihre Kunden? Können Sie neue Produkte und Dienstleistungen anbieten, für die der Markt bisher nicht bereit schien?

Akzeptieren Sie, was ist und nehmen die Dinge als gegeben an, die Sie gerade nicht verändern können.

Fazit

Wir alle sind keine Pandemieexperten und müssen dennoch gemeinsam mit dieser Situation umgehen. Das günstigste und effektivste Mittel im betrieblichen Gesundheitsmanagement bleibt wie woanders auch das Zuhören. Achten Sie gegenseitig aufeinander und sprechen Sie an der ein oder anderen Stelle mal ein Lob oder eine Bestätigung aus.

Prof. Dr. Martin Lange ist seit Oktober 2018 für den Bachelor-Studiengang "Management im Gesundheitswesen" mitverantwortlich und unterstützt ebenso im Master-Studiengang „Prävention, Sporttherapie und Gesundheitsmanagement“. Nach seiner Promotion an der Universität Leipzig am Institut für Gesundheitssport und Public Health leitete er das Kompetenzzentrum für Betriebliches Gesundheitsmanagement Sachsen und Thüringen der Fortbildungsakademie der Wirtschaft (FAW). In dieser Position unterstützte er bei der Akquise und Umsetzung von Projekten und Maßnahmen im Bereich des Betrieblichen Gesundheitsmanagements. Im März 2016 übernahm er dann die Leitung und wirtschaftliche Gesamtverantwortung der FAW Akademie Chemnitz, ein Bildungsträger im Bereich der beruflichen Rehabilitation. Ehrenamtlich war Prof. Dr. Martin Lange von 2012 bis 2019 aktiv im Deutschen Verband für Gesundheitssport und Sporttherapie (DVGS) e.V. tätig, wo er ebenso seit 2016 als Vizepräsident fungierte. Seit Dezember 2019 engagiert er sich als Vorstandsmitglied im Bundesverband für Betriebliches Gesundheitsmanagement (BBGM) e.V..

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT

Please enter your comment!
Please enter your name here