Katerstimmung und Katar-Stimmung

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Einer für Alle. Alle für Einen: Lionel Messi krönt seine einmalige Karriere mit dem Titel Fußball-Weltmeister. Die einzige Auszeichnung, die dem mehrfachen Weltfußballer noch fehlte. Seit gestern ist der Fußball-Himmel hellblau und weiß. Argentinien präsentierte sich in allen sieben Spielen als souverän, spielbestimmend und siegesgewiss. Frankreich hätte mit Kylian Mbappé den Titel auch verdient, weil es mit derselben Leidenschaft im Turnier aufgetreten ist.

Ansonsten hat der Fachkräftemangel die Weltbühne des Männer-Fußballs erreicht. Bei den Portugiesen ist CR7 nicht mehr gefragt, Brasilien weint mit Pelé und Deutschland hat niemanden, der Tore schießt; und mangelhafte Angestellte, die gegnerische Tore verhindern. Am Ende streiten sich die letzten Fußball-Romantiker um eine Millimeter-Entscheidung beim Spiel Japan gegen Spanien. Hätte, hätte Fahrrad-Kette.

SOKO Heim-EM

Zwischen Flensburg und Sonthofen, von Aachen bis Görlitz herrscht kollektive Katerstimmung. Kein Public Viewing, kein Rudel-Gucken, kein Fahnenmeer im Straßenbild. Die TV-Einschaltquoten waren in Deutschland die schlechtesten, seit es Farbfernsehen gibt. Ein Licht am Ende des Spieler-Tunnels bietet der DFB nicht. Fünf ältere (sogenannte weiße) Männer sollen dem DFB-Präsidenten helfen, aus der ramponierten Marke „Die Mannschaft“ wieder einen Love-Brand zu zaubern. Dieser „SOKO Heim-EM“ stehen dazu gerade mal 15 Monate zur Verfügung. Und leider kein Konzept, oder doch? Sehr schade ist, dass bei dieser Expertenrunde keine Frau vertreten ist. Nicht weil es gendersensibel wäre, sondern einfach aus der Tatsache, dass der DFB-Sportdirektor für beide A-Nationalmannschaft zuständig ist: Männer und Frauen!

Kommunikativer Rohrkrepierer des DFB

Bei der FIFA stand ein Textil hoch im Kurs: Die Armbinde des Spielführers. In der Kleiderordnung der FIFA (Artikel 13.8.1) sind die Vorgaben unmissverständlich geregelt. Aus FIFA-Sicht auch mit gutem Grund. Denn für jeden Spieltag der Gruppenphase bzw. für jede K.-o.-Runde gab es spezielle Armbinden, zwei Beispiele: 1. Spieltag: #FootballUnitesTheWorld; Viertelfinale: #NoDiscrimination. Der DFB-Vorstoß, eine onelove-Binde einzusetzen, war von Anfang an ein kommunikativer Rohrkrepierer. Der FIFA wollte man die Stirn bieten, vor das höchste internationale Sportgericht, den CAS, wollte man ziehen. Angedrohte Geldstrafe? Egal. Gelbe Karten? Nochmal egal. Schließlich entstand ein Mannschaftsfoto mit Händen vor den Mündern. Klick. Klick. Damit gebar am Ende der DFB noch nicht mal eine Maus, sondern wurde muxmäuschenstill. Bundesinnenministerin Faeser entlockte dem FIFA-Präsidenten Infantino nur ein Lächeln, als sie ihm auf der VIP-Tribüne ihren linken Oberarm mit onelove-Binde zeigte.

Die Machtverhältnisse dürfte damit klar sein. Die europäischen Verbände, insbesondere der deutsche überschätzen ihre Potenz. Der geopolitische Mittelpunkt im Weltsport befindet sich in der MENA-Region (Middle East Nord Africa) und in Asien. Übrigens auch in anderen Sportarten.

Es gibt keine Welt-Wertgemeinschaft

Jeder Lebensraum hat seine eigene Kultur. Diese wird gelebt durch Sprache, Feste, Religion, Brauchtum und Tradition. Das faszinierende an Fußball-Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen ist ja, dass man diese unterschiedliche Lebenswirklichkeiten kennenlernt. Es gibt nämlich keine universale Weltanschauung bzw. Welt-Wertegemeinschaft. Mit welchem Recht, sollten westeuropäische Moralvorstellungen die Blaupause für den Rest der Welt sein?

Und dennoch: Bei dieser Fußball-WM erdrückten die Rahmenbedingungen wie Stadionbau und Infrastruktur mit tausendfach tödlichen Arbeitsunfällen, soziale Verhältnisse und Menschenrechtsverletzungen im Land eine entfesselnde Euphorie. Kulturelle Vorstellungen enden dann, wenn die Freiheit, Gesundheit oder das Leben von Menschen gefährdet sind. Punkt.

Keine Sportgroßveranstaltung der Geschichte hat soziale Verhältnisse im Gastgeberland geändert. Damit überfordert man den Sport und insbesondere die Sportlerinnen und Sportler. Zwölf Jahre hatte die internationale Politik-Elite Zeit, auf Katar und die FIFA einzuwirken. Ohne sichtbaren Erfolg. Über was werden wir uns moralisch aufregen, wenn die nächste WM in Mexiko, den USA und Kanada stattfindet? – Dann aber direkt los damit. Nicht erst wieder kurz vor Schluss. Sonst überlässt man den Großbuchstaben-Zeitungen und dem Aufregungs-Journalismus die Deutungs-Hoheit über die Stammtische der Republik.

Heim-EM 2024 – im Herzen Europas

An die aktuelle WM können wir aus deutscher Sicht einen Haken machen. Jetzt freue ich mich auf die UEFA-EURO 2024. Ich werde so viele Spiele, wie möglich live im Stadion ansehen wollen. Ich bin davon überzeugt, dass das Motto mit viel Herzblut und Gastfreundlichkeit gelebt wird: „United by Football. Vereint im Herzen Europas“. Das wäre dann unser Angebot an die Welt, wie wir miteinander leben wollen.

Prof. Dr. Gerhard Nowak absolvierte als Stipendiat der Konrad-Adenauer Stiftung das Diplom-Studium ,,Sportwissenschaft'' an der Deutschen Sporthochschule Köln von 1984 bis 1988 mit Schwerpunkt Sportpublizistik. In diesem Fach promovierte er an derselben Universität. Nowak ist Mitglied im nationalen „Arbeitskreis ,Sportökonomie'' sowie in der internationalen Vereinigung „European Association of Sportmanagement (EASM). 1988 gründete er die PR- und Eventagentur ,,Sportline GmbH'', die er nach wie vor als Geschäftsführer leitet. Zu seinen Agentur-Tätigkeiten zählen u.a. die Pressearbeit für Messen wie die ,,FIBO'' und die ,,EQUITANA'' sowie die Organisation von Sportgroßveranstaltungen und Wirtschaftskongressen wie ,,Wirtschaftsforum Düsseldorf“. 2012 erhielt er für sein wirtschaftliches und soziales Engagement von der Wirtschaftszeitschrift „Wirtschaftsblatt“ die Auszeichnung „Rheinländer des Jahres“. Am IST-Studieninstitut ist Prof. Dr. Nowak seit 2007 Dozent mit den Schwerpunktkursen ,,Sport und Medien'', ,,Eventmanagement'' und ,,Soft Skills''; bei der IST-Hochschule ist er Gründungsprofessor und Dekan des Fachbereiches „Sport und Management“.

1 KOMMENTAR

  1. Dem ist in dieser Form nichts hinzuzufügen. Der Fußball ist seiner eigenen Kommerzialisierung erlegen. Der DFB hat sich maßlos überschätzt und ist in den kommunikativen Super-GAU gefahren. Bezeichnend, dass fünf alte Herren jetzt das Geschehen retten sollen. Der Deutsche Fußball hat nichts gelernt aus den letzten zehn Jahren. Der Reformbedarf bleibt nach wie vor riesig groß.

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