Merci, Paris – merci, Paralympics 2024: Für mich waren persönliche Gänsehaut-Momente kaum noch zu zählen. Etwa der Heiratsantrag von 100-Meter-Sprinter Alessandro Ossola (ITA) nach seiner verpassten Qualifikation für das Finale. Die Liebe zu seiner Frau war ihm wichtiger. Oder die zwei Medaillen für Bogenschützin Jodie Grinham (GBR) im siebten Monat ihrer Schwangerschaft. Sie „bat“ ihr Kind, nicht zu treten, wenn sie die Pfeile abschießt. Und erstmals gab es zwei Medaillen für das „Flüchtlings-Team“. Darunter Takewondo-Kämpferin Zakia Khudadadi aus Afghanistan. Mit nur einer Hand geboren und zur Ethnie der Hazara gehörig, war sie in ihrem Heimatland Ausgrenzungen und Morddrohungen ausgesetzt. Nun lebt sie in Frankreich und holte Silber.
Ansteckend positive Stimmung
Die „französische Revolution der Inklusion“ faszinierte Millionen Menschen weltweit – und auch mich! Im „Stade de France“, unter dem Eiffelturm und an allen 18 Pariser Sportstätten herrschte eine ansteckend positive Stimmung. Paris feierte das Leben zwölf Tage lang, rund um die Uhr, während die Sportlerinnen und Sportler mit Behinderung in 22 Sportarten die Stars waren.
Team D mildert Abwärtstrend
Die Leistungsdichte ist weltweit enorm angestiegen. Drei Nationen (China, Großbritannien, USA) haben jeweils mehr als 100 Medaillen geworden. Mindestens eine Medaille haben Sportlerinnen und Sportler aus 79 (!) Nationen errungen. Weltrekorde und paralympische Rekorde wurden reihenweise pulverisiert. In diesem globalen Kontext sind die 49 Medaillen für das Team D (10 x Gold) anerkennenswert. Sie können in einer Momentaufnahme den rasanten Abstieg seit 1992 (!) nur etwas bremsen. In Barcelona gab es etwa noch 171 Medaillen (61 x Gold).
Intangible Werte beachten
Von den olympischen Spielen und den Paralympics 2024 werde ich „meinen“ Studierenden ganz viel erzählen. In der Zuversicht, dass auch in der akademischen Lehre die intangiblen Werte des Sports beachtet werden. Den Machern von Paris ist es gelungen, zu zeigen, dass Para-Sportler nicht anders sind als Olympia-Teilnehmer, sondern besonders. Sie motivieren meines Erachtens viel stärker, selbstbestimmt, das eigene Leben durch und mit Sport zu gestalten, trotz körperlicher und/oder geistiger Behinderungen.
Ökonomie der Aufmerksamkeit
In der „Ökonomie der Aufmerksamkeit“ ist die Sanduhr für den Behindertensport seit Sonntagabend geleert. Mögen vielen Menschen, Organisationen, Regierungen ihre Sanduhren sofort wieder umdrehen.
Wir alle hätten es als offene Gesellschaften in einer friedlichen Welt verdient!