Volunteer bei der Weltmeisterschaft in Katar

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Die ersten Gruppenspiele der stark kritisierten Fußball-Weltmeisterschaft in Katar sind bereits ausgetragen. Die Organisation und Umsetzung des Turniers vor Ort machen unter anderem 22.000 freiwillige Mitarbeiter der FIFA möglich. Wie ist es, Teil der Volunteers zu sein? Und welche Rolle spielt dabei die lautstarke Kritik an der FIFA und an Katar?

Entscheidung Katar

Es ist Frühjahr 2022. Durch meinen damaligen Dozenten stoße ich auf ein Angebot der FIFA: „Bewirb dich jetzt und werde Volunteer der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft Katar 2022“. Ohne lange darüber nachzudenken, reiche ich meine Bewerbungsunterlagen ein. Als einer von über 420.000 Interessenten gehe ich nicht davon aus, dass ausgerechnet mein Profil in eine engere Auswahl kommt.

Doch genauso kommt es. Und nach einem Eignungstest, einem Gruppen-Interview und einem Einzelgespräch stehe ich vor der Entscheidung, ob ich tatsächlich nach Katar fliegen möchte. Bei den meisten anderen Chancen dieser Art würde ich zusagen, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern. Hierbei lasse ich mir jedoch bis zum Stichtag Bedenkzeit. Schließlich geht auch an mir die weitverbreitete Ablehnung der WM in Katar nicht vorbei. Wieso sollte genau ich also, entgegen den starkgewordenen Boykott-Rufen, nach Katar reisen?

Die Entscheidung fällt in eine Zeit, in der ich soeben mein Studium in International Sport Management abgeschlossen und mich für das weiterbildende Zertifikat in Spielanalyse und Scouting an der IST-Hochschule eingeschrieben habe. Mein berufliches Ziel ist seit jeher der internationale Fußball. Mit dem Kurs am IST möchte ich mich weiter darauf spezialisieren. Die Möglichkeit, bei der Weltmeisterschaft dabei zu sein, würde dabei helfen und mir vielleicht sogar die ein oder andere Tür im Sport öffnen. An keinem anderen Ort kommt die internationale Fußball-Branche so geballt zusammen wie bei einer Weltmeisterschaft. Kein anderes Event verfügt über eine derartige Organisation, in welche ich nun Einblicke erhalten darf. Doch dies soll nicht genug nicht, um die laute Kritik wegzuwischen und die Reise anzutreten.

Ich befasse mich intensiv mit den Missständen in Katar, bilde mir dazu meine eigene Meinung. Spätestens jetzt ist in mir auch das Interesse geweckt, Katar selbst zu erleben und kennenzulernen, auch wenn ich mir bewusst bin, dass die Weltmeisterschaft das Land in einen Schleier hüllt und dieses für rund einen Monat zu einer schimmernden Blase werden lässt. Ich erhoffe mir dennoch, Einblicke hinter die Kulissen zu erhalten. Denn wer heutzutage im internationalen Sport arbeiten möchte, kommt am arabischen Raum und insbesondere an der Golfregion kaum mehr vorbei. Manchester City, Paris St. Germain, Newcastle United und auch der FC Bayern München – die Beispiele der Investitionen von Golfstaaten in den europäischen Fußball sind bekannt. Umso wichtiger erscheint es, sich besser heute als morgen kritisch mit der arabischen Welt und dem Vorwurf des Sportswashings zu befassen. Teil davon ist meine Reise als Volunteer nach Katar.

Die ersten Tage in Katar

Nach einer längeren Vorbereitungszeit und einem E-Training der FIFA bin ich bereit für meinen Einsatz. Im al-Thumama-Stadion und im Stadium 974 werde ich Teil der Stadionorganisation und der Zuschauerdienste sein. Meine Zeit in Katar beginnt jedoch mit dem Check-in in der Unterkunft für internationale Volunteers, welche die FIFA zur Verfügung stellt. Barahat al Janoub nennt sich das Grundstück, auf dem zahlreiche Gebäudekomplexe für die Weltmeisterschaft errichtet wurden. Neben den Arbeitskräften der FIFA werden hier auch Fans untergebracht. Im Zentrum befinden sich Restaurants und Läden sowie die Bushaltestelle, von der aus regelmäßig Shuttle-Busse direkt zu den WM-Stadien oder zur nächstgelegenen Metrostation Al-Wakrah fahren. Denn außer Baustellen und der örtlich üblichen brachen Landschaft befindet sich außerhalb des Quartiers wenig bis gar nichts.

FIFA-Volunteer-ZentrumDer zweite Tag in Katar führt mich ins Volunteer-Center der FIFA. Dort erhalte ich neben einer kurzen Einführung meine Uniform und Akkreditierung. Zudem ist es für mich eine erste Gelegenheit, meine neuen Kollegen kennenzulernen. Algerien, Spanien, Philippinen, Brasilien, USA – die Herkunft der internationalen Volunteers ist quer durchmischt und vor allem von der großen arabischen Gemeinschaft werde ich sehr herzlich willkommen geheißen. Schnell findet sich eine kleine Gruppe zusammen, mit der ich nach Abschluss der Opening Session in die Innenstadt von Doha fahre. Hier sollen sich die Fans aus aller Welt in den kommenden Tagen zusammenfinden und den Fußball zelebrieren. Doch zu unserem Erstaunen sind die Straßen in Doha noch praktisch leer und die Restaurants größtenteils geschlossen. Anders sieht es auf dem Gelände des FIFA-Fan-Festivals aus, wo an diesem Tag ein Test-Event stattfindet, das bereits über 40.000 Menschen anzieht. Auch in den Straßen und rund um die Stadien soll bald schon mehr Leben zu sehen sein.

Mehr dazu in meinem nächsten Artikel über meine Erfahrungen in Doha und die ersten Einsätze im Stadion.

Nino Massera hat International Sport Management studiert und absolviert jetzt die Weiterbildung „Spielanalyse & Scouting“ am IST. In Katar ist der IST-Student als FIFA-Volunteer bei der Fußball-Weltmeisterschaft im Einsatz und berichtet über seine Erlebnisse und Erfahrungen.

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