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16.04.2024

Prof. Dr. Christian Brinkmann
Prof. Dr. Christian Brinkmann

Mehr Betreuungs-Qualität für Menschen mit Diabetes

Das neue Siegel „Fit mit Diabetes“ für Fitness- und Gesundheitsstudios wurde auf der FIBO dem breiten Publikum vorgestellt. Prof. Dr. Christian Brinkmann von der IST-Hochschule ist einer der Mit-Initiatoren.

IST: Prof. Brinkmann, was ist die Idee, die hinter dem Siegel steckt? 
Prof. Dr. Christian Brinkmann:
Es gab in jüngerer Vergangenheit keine Möglichkeit für Fitnessstudios, die Qualität ihrer Betreuung von Menschen mit Diabetes offiziell bestätigen zu lassen und diese sichtbar zu machen. Das Siegel „Fit mit Diabetes“ dient dazu, Patient:innen mit Diabetes mellitus aufzuzeigen, wo sie sicher trainieren können. Es soll mehr Qualität in den Markt bringen und zur Optimierung des Betreuungsangebotes beitragen. Denn es gibt durchaus Gefahrenquellen und Herausforderungen bei dieser besonderen Zielgruppe.

Was sind denn die besonderen Gefahren beim Training für Menschen mit Diabetes?
Brinkmann:
Bei Personen mit Typ-1 Diabetes mellitus und insulinpflichtigen Menschen mit Typ-2 Diabetes mellitus besteht grundsätzlich die Gefahr der Unterzuckerung. Zudem kann es bei einem absoluten Insulinmangel zur Entstehung einer Ketoazidose kommen. Das betrifft vor allem den Typ-1 Diabetes. Beides kann lebensgefährlich sein. Da Sport und Bewegung ebenfalls auf den Blutzuckerspiegel wirken, müssen körperliche Aktivität, Insulin- und Kohlenhydratzufuhr gut aufeinander abgestimmt werden. Bei erhöhten Blutzuckerspiegeln ist vor allem eine ausreichende Flüssigkeitsversorgung wichtig. Bei Typ-1 wie bei Typ-2 Diabetes mellitus kann es außerdem zu chronischen Folgeerkrankungen kommen, die bei der Trainingsplanung berücksichtigt werden müssen.

Ist Training für Menschen mit Diabetes überhaupt von besonderer Bedeutung?
Brinkmann:
Training ist für Menschen mit Diabetes mellitus von entscheidender Bedeutung, da körperliche Aktivität eine Reihe positiver Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann. Regelmäßiges Fitnesstraining kann z.B. helfen, den Blutzuckerspiegel zu senken und die Insulinsensitivität zu verbessern. Körperliche Aktivität unterstützt zudem die Gewichtskontrolle. Dies ist besonders wichtig für Menschen mit Typ-2 Diabetes mellitus, da Übergewicht hier einen Risikofaktor darstellt. Sport und Bewegung helfen außerdem, die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Sekundärkomplikationen zu reduzieren.

Welche Partner waren an der Entwicklung des Siegels beteiligt? 
Brinkmann:
Das Siegel wird gemeinsam von der AG Diabetes, Sport und Bewegung (AGDSB) der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), der Experten Allianz für Gesundheit e.V., diabetes.DE und der IST-Hochschule für Management vergeben.

11 Millionen Menschen mit Diabetes

Wie läuft es ab, wenn Fitnessstudios dieses Siegel erhalten möchten?
Brinkmann:
Wir haben in einem Expertengremium die entsprechenden Qualitätskriterien festgelegt. Diese werden bei einem Audit vor Ort überprüft. Dazu zählen personelle und organisatorische Voraussetzungen sowie eine entsprechende Ausstattung und ein Notfallmanagement. Fitnessstudios müssen zum Beispiel zwei Trainer:innen haben, die über eine entsprechende Fach- bzw. Grundqualifikation für die Therapie mit Diabetespatient:innen verfügen. Es soll eine gründliche Anamnese und Leistungsdiagnostik gemacht werden. Außerdem wird erwartet, dass ein beaufsichtigtes Training stattfindet, Trainingserfolge dokumentiert werden und gutes Trainingsequipment vorhanden ist. Wichtig ist zudem, dass Trainer:innen Erste Hilfe können und Notfallpläne bestehen. Blutzucker- bzw. Blutketonmessgeräte müssen vor Ort vorhanden sein, um die metabolische Situation beurteilen zu können. Die Kriterien gelten übrigens immer für ein Studio und können nicht von einer Kette für alle Filialen erworben werden.

Wie können Trainer:innen die geforderten Qualifikationen erlangen?
Brinkmann:
Die Grundqualifikation kann bei einem kompakten Kurs, den die AGDSB anbietet, erworben werden. Die ersten Kurse werden bei uns an der IST-Hochschule stattfinden. Für die Fachqualifikation gibt es verschiede Möglichkeiten. Sie setzt sich aus der Grundqualifikation und einer Basisausbildung zusammen. Als Basisausbildung gilt z.B. ein entsprechendes Studium – an der IST-Hochschule zum Beispiel „Fitnesswissenschaft und Fitnessökonomie“ oder „Fitness and Health Management“ – oder auch andere sporttherapeutische Grundlagen.

Erwarten Sie eine hohe Nachfrage?
Brinkmann:
Das müssen wir abwarten. Wir sind auf jeden Fall auf eine hohe Nachfrage vorbereitet. Es gibt rund 11 Millionen Menschen mit Diabetes mellitus in Deutschland, die entsprechend ausgebildete Trainer:innen benötigen. Es gibt aktuell eine hohe Hemmschwelle als Patient:in mit Diabetes in ein Fitnessstudio zu gehen, da sich viele nicht sicher sind, ob sie dort gut aufgehoben sind. Studiobetreiber:innen, die sich durch das Siegel zertifizieren lassen, auf diese große Bevölkerungsgruppe vorbereitet zu sein, haben da sicherlich einen Vorteil.

An wen wende ich mich, wenn ich an dem Siegel Interesse habe?
Brinkmann:
Ansprechpartner ist im ersten Schritt die AGDSB der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Über deren Internetseite diabetes-bewegung.de finden Interessierte schnell den Kontakt.

Christian Brinkmann (im Bild) ist Professor für Fitness und Gesundheit an der IST-Hochschule für Management in Düsseldorf und Arbeitsgruppenleiter an der Deutschen Sporthochschule Köln.